Textinen-Talk mit Elke Gober: Rassismus, Gewalt und Feminismus (in der Fantasy)

Carola: "Liebe Elke, am 14. Febrzar – dem "Tag der Liebe" – war bei uns im Texttreff der Tag des Fantasy Talks, den du dankenswerterweise als texttreff-internen Vortrag angeboten hast: Wir sprachen mit dir über die aktuellen Debatten in der Fantasy rund um Rassismus, Darstellung von Gewalt und Sexismus.

Vorab kann ich den Leserinnen unseres Blogs schon sagen, dass wir in einer kleinen, aber sehr feinen Runde einen tollen Austausch hatten und als spontane Nebenwirkung eine neuen interne Gruppe im Forum gegründet haben: Fantasy in der Literatur heißt dieses neue Unterforum und steht allen interessierten Textinen offen.

Jetzt würden wir von dir gerne wissen:

  • Wer bist du, was machst du und wie kamst du auf das Thema?
  • Wieso sind Rassismus und Gewalt gerade so im Gespräch, „das haben wir doch schon immer so gemacht“?
  • Was wünschst du dir als Ergebnis für den Austausch über diese Themen?"

Elke: "Ich bin Übersetzerin, Lektorin und Fantasy-Fan, seit ich das Lesen gelernt habe. Die Spezialisierung auf Fantasy-Lektorat ergab sich dann aber erst mit der Anfrage vom Fortbildungsteam des VFLL, ob ich nicht einige der Veranstaltungen des „Kompaktkurs Fantasy-Lektorat“ übernehmen wollte.

Der Kurs ist allerdings eine Fortbildung für Lektor:innen, die noch nicht so viel Erfahrung im Genre haben und sich gern darauf spezialisieren wollen – entsprechend verwenden wir da viel Zeit auf die Grundlagen und Hintergründe und es bleibt nicht so viel Raum für weiterführende Diskussionen.

Genau diese haben aber mir und auch den Teilnehmer:innen sehr viel Spaß gemacht. Etwa zur gleichen Zeit kam dann der Aufruf, Themen für die Textinentalks 2023 einzureichen und ich habe meine Chance ergriffen.

Warum ausgerechnet Rassismus, Gewalt und Feminismus (in der Fantasy)?

Das sind wichtige Themen, die auch in der realen Welt heiß diskutiert werden. Rassistische und patriarchale Strukturen und die damit einhergehende Gewalt, in aller Regel gegen Minderheiten, prägen unser Weltbild und unsere Gesellschaft.

Wir neigen dazu, die Strukturen, mit denen wir aufgewachsen sind, nicht zu hinterfragen – ganz oft ist uns überhaupt nicht bewusst, dass diese jemanden oder vielleicht sogar uns selbst (als Frauen zum Beispiel) benachteiligen. Deshalb werden diese Muster auch in der Literatur reproduziert. Das gilt besonders für die Genre-Literatur, die ja gemeinhin für weniger anspruchsvoll gehalten wird als „richtige Literatur“.

Ein weiteres Problem ist die Erwartungshaltung der Leser:innen, die man als Genre-Autor:in häufig nicht allzu sehr enttäuschen will. Wer die rassistische Darstellung von Orks als dumme Kampfmaschinen und vergewaltigte oder ermordete Frauenfiguren als Motivation für die ausschließlich männlichen Helden gewöhnt ist, stolpert eher über eine vielseitige, starke Frauenfigur.

Glücklicherweise gibt es mittlerweile viele Autor:innen, die sich sehr wohl Gedanken über diese Themen machen. Aber auch die stolpern nur allzu gern über Klischees. Warum muss die starke Frauenfigur immer wie ein Berserker mit dem Schwert um sich schlagen, dabei fluchen wie ein Holzfäller und anschließend ihre Kameraden (ja, die Männer) unter den Tisch trinken?

Sich davon zu lösen ist gar nicht so einfach.

Viele Eigenschaften, die bei Männern positiv aufgenommen werden, stehen einer Frau in der gleichen Position eher negativ zu Gesicht. Der grantige, alte Heilermeister ist mysteriös, sein weibliches Pendant wirkt schnell wie die böse Hexe aus dem Märchen. Ein einfühlsamer Kriegsmeister ist ein toller Lehrer, eine ebensolche Kriegsmeisterin wird schnell als verweichlicht wahrgenommen.

Dabei bietet die Phantastik, also Fantasy und Science-Fiction, die perfekten Voraussetzungen, um solche Strukturen zumindest in der Theorie zu durchbrechen. Sich zu fragen, wie es anders gehen könnte. Andere Rollenbilder zu transportieren, ohne gleich den mahnenden Zeigefinger zu erheben, wie es in der gesamtgesellschaftlichen Debatte um diese Themen so gern vorgeworfen wird.

Ich wünsche mir, dass wir uns in diesem Bereich wieder mehr trauen

Ich wünsche mir, dass wir uns in diesem Bereich wieder mehr trauen und uns weniger auf dem ausruhen, „was wir doch schon immer so gemacht haben.“ Literatur kann und soll sich weiterentwickeln und Experimente wagen, für die die echte Welt noch nicht bereit ist.

Fazit


Das Tolle an unserem Textinentalk im Februar war, dass bereits eine Handvoll Teilnehmerinnen viele verschiedene Perspektiven eingebracht hat und wir am Ende alle neue Ideen hatten, über die wir uns Gedanken machen konnten. Wir waren uns nicht immer einig, aber wir haben unsere Sichtweisen auf Augenhöhe und wertschätzend in einem geschützten Raum diskutieren können und das war ganz großartig. Beim nächsten Mal würde ich allerdings versuchen, noch etwas mehr Diversität in unsere Runde zu bringen, damit wir nicht nur über Buchbeispiele, sondern vielleicht sogar über persönliche Erfahrungen sprechen können."

Vielen Dank, liebe Elke!

Über die Autorin


Elke Gober

staatl. gepr. Übersetzerin/Dolmetscherin EN-DE (BDÜ)
öff. bestellte u. beeidigte Übersetzerin/Dolmetscherin für Englisch
Lektorin & Journalistin B.A. (VFLL)

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