
Dr. Katarina Flanagan
Webtexterin, Website-Texterin, Textredakteurin
Inhalte sind gut, wenn sie das Bedürfnis nach Information zufriedenstellen. Das stimmt, ist aber längst nicht alles. Genauso richtig ist nämlich: Mehr als 7 von 10 Entscheidungen treffen wir tagtäglich spontan ganz ohne Ratio – intuitiv aus dem Bauch heraus oder rein emotional.
Wie Musik, übt Sprache auch irrationale Wirkungen aus. Je nach Stilrichtung und Sound. Zwischen unserer hindurchschimmernden Persönlichkeit und der des Gegenübers, das wir erreichen wollen, soll sich ein Dialog oder Duett entwickeln. Indem wir mit Menschen unterschiedlich sprechen, angepasst ans gesamte Umfeld, reagieren diese auch eher so wie gewünscht. Schrill und aggressiv oder belehrend angesprochen, lässt sich kaum jemand gewinnen. Das gilt sogar für geschriebene Worte: Texte klingen. Beim Lesen hören wir Klangfarben, Tonlagen und -arten, einen „Tone of Voice“, wie es im Marketingsprech heißt, die auf uns wirken. Beispiele gefällig?
Zugegeben: Tonalität von Sprache in Worten auszudrücken ist ähnlich anspruchsvoll wie Beschreibungen bei Wein-Gustationen. Es erfordert Reflexion, aber weit weniger Sommelier-Erfahrung. Versuchen Sie es: Lesen Sie laut. Wie würden Sie diese Tonalitäten beschreiben?
Malerisch, blumig, naiv, herzlich und verbindlich. Was meinen Sie?
Und das?
Eine wörtliche Rede, implizit erzählerisch. Mit ein paar Stimmungswechseln: von ärgerlich-vorwurfsvoll über verblüfft bis versöhnlich-humorig, witzig mit einem gehörigen Schuss augenzwinkernder Schadenfreude.
Oder diese Homepage-Einleitung:
Jugendlichere Sprache, direkt, kumpelhaft-salopp und unverblümt.
Eine journalistische Nachricht ist nach einem festen Schema aufgebaut und sachlich:
Wie wirken diese puren Fakten auf Sie? Fesselnd wie ein atmosphärisch dichter Krimi?
Rein informativ schreibt es sich übrigens „einfach“: kühl, distanziert, nicht wertend -- unpersönlich. Auch ein akademisches Skript folgt immer gleichen Regeln und Strukturen, wirkt streng objektiv, faktenorientiert und nüchtern.
Vier kurze Text-Schnipsel, vier sehr unterschiedliche Stimmen, wenn auch überzeichnet. Und nur als Anregung erdacht.
Folgende ungeordnete Aufzählung gibt Ihnen eine Auswahl möglicher Adjektive und Partizipien zur Ton-Beschreibung an die Hand. Grundsätzlich gilt: Düstere Moll-Tonarten sind nur wohldosiert speziellen Zwecken vorbehalten. Weit sicherer fahren Sie mit klaren und positiv belegten Dur-Lagen:
gehoben, sachlich, objektiv, förmlich, distanziert, seriös, nahbar, empathisch, einfühlsam, werbend, emotional, dialogartig, auffordernd, direkt, herzlich, blumig, üppig, technisch, humorvoll, bildhaft, unterhaltsam, leichtgängig, provokant, wertend, neutral, locker, salopp, ruhig, temporeich, aktionsgeladen …
Aufmerksamkeitsstarke Texte erwecken Interesse. Berühren Menschen, erzeugen innere Bilder und bringen Emotionen zum Klingen. Sie können sogar die Illusion erzeugen, ganz nah dabei zu sein. Bestenfalls wie ein Pageturner. Pure Information leistet das kaum. Blumig werbende Sprache kann andererseits schnell übertrieben wirken, abhängig von Thema und Adressaten.
Texte holen genau die Rezipienten heran, deren Eigenfrequenz sie anschlagen. Den richtigen Ton wiederum treffen Texterinnen dann am sichersten, wenn sie genug über die Personen wissen, die der Text verbinden soll: Sie und Ihre Klientel. Das Ergebnis muss mit Ihnen in Einklang stehen und realistische Erwartungen bei Interessenten wecken. Und deshalb fragt eine Texterin üblicherweise auch nach der gewünschten Tonalität.
Unerfahrene Textsuchende signalisieren mir darauf regelmäßig Fragezeichen. Sie stutzen dann und überlegen kurz, was ich damit meinen könnte. Fast, als müsste ich als Frau vom Fach das doch wissen. Oder ich höre ein „Das überlasse ich ganz Ihnen“. Aber nur mit ausführlichem Kennenlernen oder ganz viel Glück kann daraus ein Treffer werden. Mein Briefing-Fragebogen enthält deshalb eine ganze Reihe von beschreibenden Wörtern zur Auswahl, ähnlich der obigen. Als Hilfe, dachte ich eigentlich. Mit dem Ergebnis, dass ich manches Mal nur ein Wort oder fast die gesamte Liste als Eintrag dort einkopiert finde. Mit sich teils heftigst widersprechenden Eigenschaften ;o) Daran werde ich also noch feilen.
Machen auch Sie es der Texterin Ihrer Wahl leicht, klar und unmissverständlich:
Skizzieren Sie Ihre Positionierung, Zielsetzung und anvisierte Kundschaft.
Drei bis fünf Eigenschaften beschreiben in der Regel treffend und fokussiert den Grundton.
Geben Sie eventuell ein, zwei weitere an: als Leitplanken für kurze abweichende Episoden.
Wie sprechen Sie? Welche Einstellung und Haltung verkörpern Sie?
Sehr hilfreich können auch Beispieltexte sein: Ihre eigenen oder Fremdprodukte, die Ihnen besonders gut gefallen.
Tonalität und Stil sind oftmals als synonyme Begriffe in Gebrauch. Lassen Sie sich nicht zu sehr davon verwirren, der Übergang ist durchaus fließend.
Alle Schreibenden entwickeln einen persönlichen Stil, eine einzigartige Sprache – ihre „Schreibe“. Sie setzen rhetorische (sic!) Stilmittel nach eigenen Vorlieben ein: Anaphern, Alliterationen, Ellipsen. Rhetorische Fragen, Zwischenrufe oder Aufforderungen. Nutzen Lieblingswörter, bevorzugen bestimmte Syntax-Konstrukte. Fremdwörter – neue wie alte. Zitate, Wendungen oder kreativ abgewandelte Phrasen. Der Ton ist eher das Ergebnis aus all diesen Mitteln, das imaginär Hörbare.
Ob Stil oder Tonality: Letztlich geht es um die Wirkung, die Ihr Text erzielen soll. Und um ein geeignetes harmonisches Sprach-Klangbild. Tönen Ihre gesammelten Schriftwerke voll im symphonischen Gleichklang, so kommen Sie einem individuellen Stil nahe. Optimal gelingt dies von ein und derselben Hand erstellt oder redigiert. Wenn dagegen verschiedenste Stimmen nach Gutdünken und ohne Dirigent im Chor mitsingen sollen, besteht die große Gefahr von Dissonanz bis hin zur Kakofonie. Lärm statt Tonkunst. Und bedenken Sie immer, für wen das Werk gedacht ist, wie diese Menschen ticken.
Gute Texterinnen formulieren nicht bloß Inhalte nach Rezepten und gießen sie in Textformen. Sie jonglieren subtil mit Tonlagen und Stimmungen, mit direkter Ansprache oder distanzierter Stimme aus dem Off. Und: Sie lassen ihren eigenen Stil in den Hintergrund treten. Denn ihr Ziel ist es, die gewünschte Resonanz zu erzeugen. Textprofis vermitteln für Sie zwischen Ihrer eigenen Stimme und der Musik, in der Ihre Kundschaft mitschwingt. Dafür gewinnen Sie am besten gemeinsam mit der Texterin ein klares Bild von der stimmigen Tonalität ---- und Ihr Text wird Musik in den Ohren der Wunsch-Leserschaft.
Dr. Katarina Flanagan:
Katarina Flanagan war Biologin, Wissenschaftlerin, Pharmaberaterin & Salestrainerin. Sie schreibt heute am liebsten über Life Science für Laien, Unternehmensporträts und Informatives. Je vielfältiger, desto musikalischer.
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1 Kommentar
Annette Schelb
Liebe Katarina,
Dein Text spricht mir aus dem Herzen, lässt meine Gedanken mitschwingen und bringt das Thema auf den Punkt.
Vielen Dank für diesen tollen Text und viele Grüße vom Fuße des verregneten 7gebirges
Annette
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