Buchvorstellung

Bernd Winkler:  Ich war so frei. Mein kleiner Kapitalismus in der DDR und was daraus geworden ist

Ein ganzes Leben zwischen zwei Buchdeckeln? Warum nicht. Ganz besonders dann, wenn die eigene Lebensgeschichte das Zeug dazu hat, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen und Veränderungen aufzuzeigen, die im kollektiven Erinnern großer Bevölkerungsgruppen fest verankert sind.

Basierend auf den Aufzeichnungen des Zwickauer Gastronomens Bernd Winkler entstand dieses Buch zwischen Januar 2020 und Juli 2021.
Ein Beitrag von Jana Männig.

Der Weißenbrunner Gastronom Bernd Winkler bewirtschaftete 45 Jahre lang den Lindengarten in Weißenbrunn bei Zwickau. Der ansehnliche Wohlstand der 80er Jahre, den Fleiß, Geschick und per- sönlicher Einsatz gemehrt hatten, zerrann dem umtriebigen Geschäftsmann in den ersten Jahren nach der Wende zwischen den Fingern.

Erfahrungen aus 25 Jahren erfolgreichen privatwirtschaftlichen Wirkens innerhalb der Planwirtschaft hatten selbstbewusst gemacht, doch schützten sie nicht vor Fehlentscheidungen. Seinen Weg zurück zu Wohlstand und Ansehen beschreibt Bernd Winkler in seinen biografischen Aufzeichnungen ebenso, wie den vorangegangenen Abstieg. Von schwerer Krankheit gezeichnet, arbeitete er bis zuletzt an seinem Manuskript, das Lebensgeschichte, Wendeerzählung und eine facettenreiche Schilderung des Lebens in der DDR in einem ist. Die Fertigstellung seines Buches hat er nicht mehr erlebt.

Leseprobe

"Meine Mutter bereitete in der kaum 11 Quadratmeter kleinen Küche hinter dem Gastraum solide Hausmannskost zu, von der noch Jahre nach ihrem Tod gesprochen wurde. Dabei waren die Möglichkeiten nicht nur aus heutiger, sondern auch aus damaliger Sicht bestürzend schlicht. Es gab lediglich einen elektrischen Herd, der später durch einen Gasherd ergänzt wurde. Sowohl die Küchenmöbel als auch ein Großteil der Einrichtung unserer Wohnung hatten nach dem Ende des Krieges mit der Mutter den Weg von Polen über Freital hierher gefunden. Das Geschirr wurde in einer Emailleschüssel abgewaschen, und der einzige Anklang an den Fortschritt fand sich in Gestalt eines Kühlschranks, der allerdings nur im Nebenraum Platz hatte.

Mein Vater kümmerte sich um die Gäste, und das tat er mit viel Hingabe. Die erste Runde Wodka gab es für gewöhnlich schon morgens, wenn der Briefträger seine prall gefüllte Ledertasche für einen Moment auf dem Stammtisch absetzte, ehe er gestärkt weiterzog.

Machte meine Mutter den Lindengarten durch ihre schmackhafte Hausmannskost bekannt, so trug mein Vater als allseits beliebter Gesellschafter ebenfalls zum guten Ruf der Gastwirtschaft bei. Das bestehende persönliche und joviale Verhältnis zu seinen Gästen wurde in schöner Regelmäßigkeit dadurch gefestigt, dass Gast und Gastwirt sich gegenseitig einen ausgaben. Der Wirt hörte zu bei Sorgen und Kummer, bei Freude und Belanglosem und hin und wieder schenkte er die leeren Gläser nach. Mein Vater Alexander war Alex. Alex war der Lindengarten. Der Lindengarten war Alex."

Details zum Buch:

Auftraggeberin: Familie Winkler
Format: A5, Paperback
Bezugsmöglichkeiten: Iris Winkler, Zwickau
Seiten: 454
Zahlreiche Abbildungen
erschienen: Juli 2021

Über die Autorin


Jana Männig

Jana Män­nig ist His­to­ri­ke­rin & Au­to­rin und über­nimmt fach­s­pe­zi­fi­sche Dienst­leis­tun­gen wie Ghostwriting und das Verfassen von Firmengeschichten.

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