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TT-Interview: Autorin und Fotografin Jana Mänz

Gefühl  und Verstand heißt das handgebundene kunstofffreie Buch von Jana Mänz, das sie als Hommage an ein uraltes Handwerk und Naturfotografie selbst produziert hat.

Mit diesem Beitrag starten wir ein neues Format im TT-Magazin: Interviews mit euch über die zahlreichen spannenden Projekte, Kooperationen und Gründungen der wortstarken Frauen aus dem Texttreff.

Carola Heine: Liebe Jana, dein Buch ist handgefertigt - also entgegen allen modernen Trends. Oder doch nicht? Immerhin stellst du es "on demand" her. Wie kommt das?

Jana Mänz: Zunächst einmal vielen herzlichen Dank für die Möglichkeit, mein handgemachtes und vor allem kunststofffreies Sachbuch zur Naturfotografie vorstellen zu dürfen. Ja, es scheint, dass ich gegen alle Trends in der Verlagsbranche arbeite, aber ich habe mir das eigentlich nicht ausgesucht.

Als Künstlerin, Naturfotografin und Naturfreundin war es von Anfang an mein Herzenswunsch, dass Buch so ökologisch wie möglich produzieren zu lassen. Der Film „Plastic Planet“ war der Auslöser, dass ich neben meinem persönlichen Bad und Küche mehr tun wollte.

Ich habe zwei Jahre lang gefühlt alle „grünen“ Buchbindereien und Buchdruckereien in Deutschland angesprochen. Doch je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, umso deutlicher wurde es, dass die meisten dieser Betriebe mit Labels arbeiten. Ich war resigniert vom „Greenwashing und Ablasshandel“. Ich wollte mir den Vorwurf „zu viel zu verlangen“ nicht gefallen lassen, denn wenn ich sehe, wie unsere Natur aussieht, muss jeder von uns etwas tun. Im Corona-Sommer 2020 stand mein Projekt eigentlich schon vor dem Aus, weil ich keine Lösung fand.

Heute weiß ich, warum meine Suche scheitern musste: Der ganze Produktionsbetrieb – vom Material bis hin zu den Maschinen“ ist auf Kunststoffe ausgerichtet. Es geht gar nicht mehr ohne. Das habe ich am Anfang nicht verstanden und es wurde mir erst bewusst, als ich selber für die Schaubuchbinderei Materialien einkaufen musste und am Ende in anderen Branchen (z.B. der Baumwollfaden zur Bindung stammt aus dem Kurzwarenbereich) fündig wurde.

Dass ich dann eine Kunststofffreie Lösung gefunden habe, das habe ich meinem 80jährigen Buchbindermeister zu verdanken.

Mein Buchbindermeister war am Anfang nicht so überzeugt von meinem Projekt und hatte nicht geglaubt, dass ich es schaffen würde. Trotzdem hat er mich unterstützt und seine jahrzehntelange Erfahrung war mein Glück. Er hat mit mir zusammen einen Workflow entwickelt, wie ich nun mein Buch in Handarbeit in einer größeren Stückzahl selber ohne den Einsatz von Kunststoffen produzieren kann. Mithilfe einer selbstgebauten einfachen Holzvorrichtung kann ich die Einzelteile so herstellen, dass jedes Buch aussieht wie das andere.

Eine örtliche Tischlerei hat mir zudem eine weitere Vorrichtung gebaut, die es so nicht zu kaufen gibt und in Ebay haben wir ganz alte Maschinen erstanden, die unser Meister wieder in Gang gesetzt hat. Das war am Anfang alles nicht ganz einfach und ich musste viel lernen. Seite 1 ½ Jahren lerne ich nun neben dem Buchprojekt die Handbuchbinderei in der Werkstatt. Ich bin dort sozusagen hängen geblieben, weil es unglaublich viel Spaß macht, alte Bücher aus dem 16./17.Jahr. zu reparieren oder neue Bücher herzustellen. Mir ist aber auch bewusst, dass dieser traditionelle Beruf am aussterben ist und die moderne, industrielle Buchbinderei damit nichts zu tun hat.

Carola Heine: Ich durfte mir eine Leseprobe von deinem Werk anschauen – eine Duftprobe wohl eher. Dein Buch sieht wunderbar aus, fühlt sich gut an, duftet schön. Wie stellst du es her? Woraus besteht es?

Jana Mänz: Mein Buch besteht nur aus wenigen Materialien: Buchbinderpappe, Graspapier, Vorsatzpapier, Baumwollfaden, veganer Maisleim und Bienenwachs.

Das Graspapier hat nicht nur eine wunderschöne Optik (es leuchtet vom Heu in der Sonne golden) und Haptik, sondern es duftet nach frischen Wiesenheu. Mein ganzes Atelier, wo ich das Papier lagere, riecht so toll danach. Das Bienenwachs stammt aus einer Imkerei in der Nachbarschaft, die wesensgemäß ihre Bienen halten. Im letzten Sommer habe ich dort mitgearbeitet und das Wachs mit ernten dürfen.

Wie stelle ich es her? Ich habe dazu von einer Kollegin zwei tolle Videos machen lassen, die es besser zeigen, als ich es schreiben könnte:

Traditionelles Buchbinderhandwerk: Wie mein Naturfotografie-Sachbuch "Gefühl und Verstand" entsteht

Wenn sich Kunst und Handwerk nachhaltig verbinden

Carola Heine: Danke für die Videos! Jetzt würde ich gerne noch erfahren: Was machst du denn sonst noch so? Was motiviert dich?

Jana Mänz: Ich habe ursprünglich Geoinformatik und Fernerkundung studiert und seit Mitte der 1990er Jahre fast ausschließlich mit dem PC gearbeitet. Als Multimediamanagerin im Ernst-Klett-Verlag leitete ich moderne Software-Projekte für den Geographie-Unterricht und habe mich schon jeher dafür eingesetzt, digitale Techniken anzusetzen und entsprechende Schulungen angeboten. Seit 2011 habe ich mich als Künstlerin freiberuflich gemacht und u.a. 10 Sachbücher zur Fotografie veröffentlicht.

Das Corona Jahr 2020, das für mich das schwierigste Jahr meiner 10-jährigen Freiberuflichkeit gewesen ist, ist eine Zeit persönlicher Veränderungen gewesen. Ich hatte gerade in dem Jahr immer mehr den Wunsch, dass ich mich beruflich verändern wollte. Für mich hat die Digitalisierung in den Jahren immer mehr Schattenseiten bekommen. Gerade der Beruf der/des Fotografin/en hat durch die Digitalisierung gewaltig an Wertschätzung verloren. Das Bild macht scheinbar heute nur noch die teure, KI gesteuerte Kamera und das tägliche Veröffentlichen und Wegwischen von Milliarden Fotos im Social Media macht es nicht einfacher.

Da ich aber nicht wusste, wie ich diesen Wunsch realisieren könnte, hatte ich angefangen, meinen Stadtgarten auf Insektenfreundliche Pflanzen umzustellen und habe wochenlang den ganzen Garten auf den Kopf gestellt. Nebenbei hatte ich eine Weiterbildung bei der School of Life in Berlin gebucht, weil ich von den Philosophischen Gedanken Allan de Buttons sehr begeistert bin. Und in dieser Zeit fragte nicht nur mein Kollege, warum ich mein Buch nicht selber machen möchte sondern ich fand einen Flyer auf meiner täglichen Gassirunde „Neueröffnung Schaubuchbinderei“. So fing alles an.


Durch mein Buchprojekt habe ich die Möglichkeit bekommen, die Handbuchbinderei zu lernen. Handwerk bedeutet so vieles: Wissen, Präzision, Hingabe, Leidenschaft, Ausdauer, Geduld, Fingerfertigkeit, Aufmerksamkeit. Wer denkt, dass die Handbuchbinderei ein einfaches Handwerk ist, der irrt gewaltig. Es gibt so viel zu lernen, zu verstehen. Man ist plötzlich mit Physik, Chemie und Mathematik beschäftigt – das sind eigentlich all die Themen, die ich zu Schulzeiten so gar nicht mochte. Aber hätte man mir damals die unbeliebten Naturwissenschaften mithilfe der Buchbinderei erklärt, hätte ich sicherlich viel mehr Spaß und Freude daran gehabt.

In der Schaubuchbinderei, in der wir ausschließlich analoge teilweise über 100 Jahre alten Maschinen nutzen, tut es mir gut, mit den Händen zu arbeiten und in eine andere, scheinbar ausgestorbene Welt, abzutauchen. Ich bin froh, dass ich mit meinen 45 Jahren noch einmal die Chance bekomme, ein traditionelles Handwerk zu lernen und habe in der Werkstatt so viel Wertschätzung erfahren, die mir zuvor in meiner digitalen Welt oft gefehlt hat. Und gleichzeitig habe ich jetzt die Möglichkeit, meine digitale Welt mit dem Handwerk zu verbinden und ich bin gespannt, was sich daraus entwickeln wird.

Carola Heine: Noch mal zurück zu dem wunderschönen handgemachten Buch: Wer ist die Zielgruppe und wie kann man es bestellen?

Jana Mänz: Das Buch „Gefühl und Verstand – Naturfotografie“ ist für alle, die gerne besondere Kunstbücher lieben und für Menschen, die gerne in der Natur fotografieren und sich für eine andere Ästhetik von gedruckten Fotografien begeistern. Das Sachbuch ist keine herkömmliche Fotoschule. Mein Buch gibt es ausschließlich nur in der handgemachten Version, weil ich möchte, dass meine Leser*Innen das Buch mit all ihren Sinnen erfahren. Die Haptik und der Geruch des Graspapieres nach Sommerheu, die Ästhetik meiner gedruckten Naturfotografien auf Graspapier kann ein E-Book niemals wiedergeben – auch wenn ich E-Books sehr schätze. Die ökologische Ausstattung in Verbindung mit traditionellem Kunsthandwerk wie der japanischen und koptischen Bindung macht jedes Exemplar zu einem Einzelstück. In der handgemachten Herstellung spiegelt sich damit auch der Inhalt wider, Text, Fotografien und Form verbinden sich zu einer kunstvollen Einheit.

Bestellen ist ganz einfach unter www.dasplastikfreiebuch.de

Doch im Gegensatz zu anderen Büchern wird es erst dann von mir hergestellt und dauert ein paar Wochen, bis es verschickt wird.

Carola Heine: Vielen Dank, dass du dir für unsere Neugier so viel Zeit genommen hast. Wer noch mehr über dich und dein Angebot erfahren will, kann dies unter https://janamaenz.photography/ und auf Instagram tun.

Über die Autorin


Carola Heine

Jana Mänz wurde befragt von Carola Heine.

4 Kommentare

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Birgid Hanke

30.04.2022 um 11:01 Uhr

Wunderschönes Projekt, Jana, Glückwunsch!!!
Du mūsstest Dich mit meinen Nachbarn, die schon so viel fūr mich getan haben, sehr gut verstehen. Trotz modernster Technik im Portfolio gehört ihre wahre Liebe der alten Buchdruckerkunst, sind sogar mit ihrem Bestand als Museum anerkannt.
http://www.steintorpresse.de
Gruß
Birgid

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Jana

01.05.2022 um 12:50 Uhr
Liebe Birgid, vielen lieben Dank. LG Jana
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Dagmar da Silveira Macedo

04.05.2022 um 17:57 Uhr

Liebe Jana,
deine Bücher sind wirklich wunderschön! Und die beiden Filme transportieren sehr schön, wie viel Liebe, Zeit und Sorgfalt du in jedes einzelne Buch steckst. Was für ein tolles Handwerk!
Ich wünsche dir sehr viel Erfolg!
Liebe Grüße
Dagmar

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Jana Mänz

12.05.2022 um 13:49 Uhr
Liebe Dagmar, entschuldige, ich habe deinen Kommentar erst jetzt gelesen. Danke dir, das freut mich sehr! Und ja, ein bisschen Erfolg wäre wunderbar für die viele Arbeit :-) LG Jana
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