Tipps & Hilfen

Von der Panik, keine Aufträge zu haben

Brigitte van Hattem: "Gestern war meine Freundin Heike, Grafikerin, zu Besuch.

„Du“, sagte ich beiläufig, „ich habe gerade den Auftrag für ein neues Buch hereinbekommen. Da sind auch ein paar Grafiken zu machen. Ich schicke sie dir morgen.“

Heike und ich arbeiten schon lange gelegentlich zusammen. Wir sind beide seit den 1990-er Jahren Freiberuflerinnen, hatten gute Jahre, sehr gute Jahre und – Durststrecken! Ich hatte meine Anfang des Jahres. Heike hatte ihre jetzt.

„Das wäre gut, danke“, antwortete sie daher. „Ich habe nämlich gerade gar nichts auf meinem Schreibtisch.“

Sie sagte das nicht locker, sondern beschämt. Besorgt. Blass.

Da war sie schon wieder: Die Panik, keine Aufträge zu haben.

Eine Panik, die ich kenne, und gegen die wir Freiberufler zuweilen machtlos sind. Doch das letzte Mal, als Heike mir sagte, sie habe einen leeren Schreibtisch, sah die Welt genau zwei Tage später schon wieder ganz anders aus. Daran erinnerte ich sie jetzt.

Daran muss ich mich auch selbst immer wieder erinnern. Panikakquise hilft nicht gegen die Existenzangst, die einen befallen kann, wenn die Aufträge nur noch hereinkleckern und dann schließlich ganz ausbleiben.

Was aber ist sinnvoll in einer Durststrecke?

Als alte Häsin gebe ich diese Ratschläge:

  • Räumen Sie Ihren Schreibtisch auf und machen Sie die Buchhaltung und die neuen Visitenkarten fertig oder was sonst noch so in der letzten Zeit liegen geblieben ist. Wenn ein neuer Auftrag kommt, sollten Sie schließlich auch Zeit für ihn haben!
  • Räumen Sie Ihren PC auf! Dieser Tipp hat sich besonders für Freiberufler bewährt, die schon lange im Geschäft sind. Wenn Sie Ihre alten Ordner durchgehen, werden Sie mit Sicherheit den einen oder anderen Artikel finden, an den Sie längst nicht mehr gedacht haben und den Sie jetzt vielleicht überarbeiten und neuen Kunden modifiziert anbieten können.
  • Sortieren Sie aus, was Sie nicht mehr brauchen, aber werfen Sie nicht alles in den virtuellen Papierkorb. Legen Sie stattdessen einen Ordner „Alt“ an und schieben Sie Ihre Texte dort nach Dekaden oder Themen sortiert ein. Das ist ein Fundus, aus dem Sie mit Sicherheit später noch Kapital schöpfen können.
  • Investieren Sie jetzt! In Ihre Weiterbildung und in Ihr Equipment! Sich während eines Projekts einen neuen PC anzuschaffen, bringt unnötigen Stress. Während einer Flaute hingegen haben Sie den Kopf frei, können Preise und Angebote vergleichen, das Gerät in Ruhe installieren und auf die eigenen Bedürfnisse einstellen.
  • Machen Sie sich klar, dass eine Flaute nicht unbedingt etwas mit Ihrer Person zu tun hat. Möglicherweise aber an Ihren Kompetenzen. Sind Sie zu einseitig im Angebot? Fehlen Ihnen Skills, ohne die Sie früher prima ausgekommen sind, aber die Sie heute unbedingt bräuchten? Machen Sie sich schlau! Selbst wenn Sie in drei Jahren in Rente gehen wollen, ist es noch nicht zu spät, sich mit Excel-Programmen oder HTML-Formaten auseinanderzusetzen.
  • Wenn Sie Ihr Angebot erweitern konnten, lassen Sie Ihre Kunden das wissen! Wenn Sie nicht der Typ sind, der Werbemails von sich verschickt, geht es auch dezenter. Wann immer ich beispielsweise für ein paar Tage verreise, melde ich mich bei meinen Kunden rechtzeitig vorher ab. Damit bringe ich mich in Erinnerung und kann auch gleich loslegen, falls jemandem gerade dann einfällt, dass er ja noch drei dringende Dinge für mich zu tun hätte.
  • Haben Sie langjährige Bestandskunden, die sich aber schon eine Weile nicht mehr gemeldet haben? Rufen Sie dort an, schreiben Sie ihnen oder besuchen Sie sie! In Betrieben ändert sich dann und wann ein Ansprechpartner oder eine Sekretärin – und schon erinnert sich keiner mehr an die/den tolle/n TexterIn von früher. Möglicherweise steckt auch Ihr Kunde in einer Krise und Sie haben die zündende Idee, ihn dort wieder herauszuführen? Nur Mut! Sie haben nichts zu verlieren.
  • Bringen Sie sich ins Gespräch! Nutzen Sie die sozialen Medien und präsentieren Sie dort Ihre Arbeiten oder Ihre Ideen. Nicht vergessen: Steter Tropfen höhlt den Stein! Bleiben Sie also am Ball. 

Wenn all diese Maßnahmen (noch) nicht gefruchtet haben, bleiben Sie cool. Fragen Sie sich, warum Sie Freiberufler sind oder ob Sie sich nicht insgeheim eine Festanstellung wünschen. Sollten Sie eine Festanstellung brauchen, um sich sicher zu fühlen: Bewerben Sie sich.

Falls Sie mit Leib und Seele Freiberufler sind, tun Sie, was uns Freiberuflern immer unterstellt wird: Schlafen Sie bis morgens um zehn Uhr, verbringen Sie den Tag am Baggersee oder in der Sauna und telefonieren Sie stundenlang privat. Nutzen Sie die Flaute und genießen Sie es, mehr Zeit mit Ihren Lieben verbringen zu können. Und wenn Sie das tun, haben Sie bitte kein schlechtes Gewissen, denn ich versichere Ihnen: Der nächste Auftrag kommt bestimmt und erfahrungsgemäß hat er gleich den übernächsten mit im Gepäck.

Dann bleibt Ihnen nur eins: Ärmel hochkrempeln und anfangen!

Über die Autorin


Brigitte von Hattem

Medizinjournalistin und Autorin

7 Kommentare

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Birgit Heintz

07.11.2022 um 13:02 Uhr

Danke für die wertvollen Tipps. Die Phasen kenne ich auch. Und habe noch einen ergänzenden Tipp: Bei Flauten schaue ich mich auch in Freelancer-Börsen um und erzähle allen Koop-Partner*innen, dass ich gerade Kapazitäten habe. Nicht penetrant, aber ich sage eben, wie es ist. Auch dabei hat sich schon einiges ergeben.

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Claudia Dechamps

08.11.2022 um 10:01 Uhr

Hallo Brigitte, ich habe Dich mal gegoogelt - Wahnsinn, wie schaffst Du so ein Pensum? Irgendwas mache ich falsch, dass ich immer so lange an Texten feile und für alles so viel Zeit brauche. Danke für die Tipps! Claudia Dechamps

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Brigitte

08.11.2022 um 11:42 Uhr

Liebe Claudia,
danke für das Kompliment. Ich war immer breit aufgestellt und sehr vielseitig, aber ein großes Pensum schaffe ich heute auch nicht mehr. Es geht gemütlich in Richtung Rente ... Ich habe nur noch Kunden, für die ich bereits seit Jahrzehnten arbeite, nehme nur dann etwas Neues an, wenn es mich selbst brennend interessiert und mache auch einige Dinge nicht mehr, obwohl ich sie “kann”. Tatsächlich war meine 1991 aus der Not geborene Entscheidung, mich selbstständig zu machen, die beste meines Lebens. Ich habe mich immer frei gefühlt bis auf 2002, als zwei meiner Hauptkunden unabhängig voneinander insolvent wurden. Da kam ich für fast zwei Jahre ins Trudeln und Knapsen, immer kurz vor der Privatinsolvenz, bevor ich im Printbereich neue Stammkundschaft hatte. Aber das ging dir sicher auch nicht anders, oder?
Liebe Grüße, Brigitte

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Gabriela Freitag-Ziegler

11.11.2022 um 09:04 Uhr

Danke für diesen Beitrag, liebe Brigitte!

Wenn ich nicht weiß, wo mir der Kopf vor lauter Arbeit steht, sehne ich mich immer nach der nächste ruhigeren Zeit oder gar Flaute. Wenn es dann mal dazu kommt, werde ich nervös. Ganz schön schräg. Deinen Beitrag speichere ich mir ab, um mich beim nächsten Mal daran zu erinnern 😊

Liebe Grüße von Gabi

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Brigitte van Hattem

11.11.2022 um 17:18 Uhr

Hallo Gabi, ja, das kenne ich. Deshalb habe ich den Beitrag geschrieben ... 😉

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Oliver Heine

14.11.2022 um 09:53 Uhr

Test

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Katrin Bischl

15.11.2022 um 08:31 Uhr

Herzlichen Dank für die vielen Tipps. Einiges mache ich ebenso. Doch seit Corona ist das Seminargeschäft auf jeden Fall schwieriger geworden. Vorher ging es ganz ohne Akuise, jetzt leider nicht mehr ... Prüfungen des Lebens eben 😊

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